Das letzte Bum-Bum von Bam-Bam!
Am Wochenende kann Kiel-Legende Patrick Wiencek (36) bei den EHF Finals in Hamburg seinen 22. – und letzten Titel – einer herausragenden Karriere holen. Im Sommer hört er nach 17 Jahren auf. In SPORT BILD blickt er schon mal zurück und spricht über …
► seinen ersten Titel: „Ich wurde in der C-Jugend mit dem MSV Duisburg Niederrhein-Meister – der einzige Titel, den ich im Jugendbereich im Klub geholt habe. Und dann im Juniorenbereich 2009 die WM in Kairo mit dem Titel im Finale gegen Dänemark (32:24; d. Red.). Für mich war das komplettes Neuland. Ich war vorher nie in Jugendnationalmannschaften oder der Niederrhein-Auswahl, weil ich nicht den Anforderungen des DHB entsprochen habe. Das Handballspielen war zwar wichtig, aber nicht die Hauptsache. Man musste athletisch sein, auch fitnessmäßig gut dabei. Deshalb hatte ich es wohl nicht mal in eine Auswahl geschafft, die gefühlte vier Stufen unter der Nationalmannschaft ist. Das war schon komisch, wenn ich jetzt zurückblicke.“
Er schreit vor Schmerzen: Horror-Verletzung in der Handball-Bundesliga
► seinen schönsten Titel: „Die Meisterschaft 2014, als wir uns am Ende mit zwei Toren gegen die Rhein-Neckar Löwen durchgesetzt haben. Wir haben das Unmögliche möglich gemacht, unsere Arena stand kopf.“
► seinen ungewöhnlichsten Titel: „Die Champions League 2020 im Finale gegen den FC Barcelona (33:28). Der Zeitpunkt war einzigartig, direkt nach Weihnachten. Und das ohne Fan-Unterstützung wegen der Corona-Pandemie. Der Titel hat auch deshalb einen besonderen Stellenwert.“
► seinen schlimmsten verpassten Titel: „Das Champions-League-Finale 2014 gegen Flensburg. Wir führten in der ersten Halbzeit schon mit sechs Toren, verloren mit zwei (28:30). Das ist bis heute die schwerste Niederlage.“
Wiencek hält mit Domagoj Duvnjak und Torwart Niklas Landin den Champions-League-Pokal hoch. Im Finale 2020 schlug Kiel Barcelona 33:28
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► seine schönste und schlimmste Halle: „Die schönste ist die in Kiel. Sie ist gefühlt immer voll, es ist immer super Stimmung, die einen pushen kann. Meine zweite Lieblingshalle ist die Köln Arena, mit 20 000 Zuschauern. Ansonsten hatte jede Halle ihren Charme, bis auf die alte Halle in Skopje, in der ich mit Gummersbach spielte. Von außen sah sie aus wie ein verlassenes, zum Abriss bereites Industriegebäude. Alles war dreckig, überall standen Baumaschinen rum. In der Halle war dann gefühlt alles 100 Jahre alt. Die einzige Halle, die grenzwertig war.“
► seine Spielweise: „Immer hart und kompromisslos, aber trotzdem meist fair – um es auf ganz wenige Worte zu reduzieren.“
► seinen Trophäenkeller: „Darum habe ich mich irgendwie noch nicht wirklich gekümmert. Es gibt tatsächlich drei, vier durchsichtige Ikea-Boxen, in denen ich die schönsten Sachen, die ich als Erinnerung aufbewahren wollte, reingestopft habe. Viele Trikots, die ich mit Spielern getauscht habe, die Medaillen, Bälle und Schuhe. Irgendwann nach der Karriere werde ich mal meinen Keller aufräumen und das ein oder andere an die Wand hängen.“
► seinen besten Trainer: „Einen rauszupicken wäre den anderen gegenüber unfair. Aber der, der viel an mich geglaubt hat, war Kristof Schargy, mein Trainer bei TuSEM Essen. Er war auch ein kompromissloser Abwehrspieler. Er ist im gleichen Alter wie meine Eltern, auch aus Polen gekommen und im Ruhrgebiet groß geworden. Er hat mir den Weg aufgezeigt. Wir hatten eine ähnliche Mentalität, er hat zwei-, dreimal die Woche mit mir eine Stunde zusätzlich trainiert.“
► seinen härtesten Gegenspieler: „Mit Oliver Roggisch war es immer echt hart. Zum Glück hat sich der Sport weiterentwickelt. Diese klassischen Abwehrspieler, wie es sie früher mit Olli gab, gibt es zum Glück nicht mehr. Er ist neben dem Spielfeld ein überragender Typ, aber war auf dem Spielfeld sehr, sehr hart.“
Wiencek serviert im Zebra-Outfit das Meisterbier. 2023 wurde er zum sechsten Mal Meister
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► seinen liebsten Mitspieler: „Da gibt es viele. Ich habe mich damals mit Sebastian Firnhaber (jetzt HC Erlangen), der in Kiel auch Jugendspieler war, echt gut verstanden. Wir sind zusammen angeln gewesen, durften dann auch in der Nationalmannschaft noch zusammenspielen. Mit ihm habe ich bis heute Kontakt.“
► sein Rekord-Gewicht: „121 Kilo, als ich 2012 nach Kiel kam. Alfred Gíslason war damals der Trainer. Wir sind gefühlt zwei Wochen nur laufen gegangen, morgens und abends. Ich habe in zwei Wochen rund 14 Kilo abgenommen. Das war schon echt krass. Danach habe ich meine Ernährung umgestellt, esse seitdem ein bisschen gesünder und mache mehr Krafttraining.“
► den Energy-Drink-Tick: „Früher habe ich bei jedem Spiel zwei Dosen getrunken. Mittlerweile nur noch bei jedem vierten, fünften Spiel mal eine.“
► sein letztes European Final 4 in Hamburg: „Ich freue mich enorm. Wir haben den DHB-Pokal vor unserem Titel in Köln in diesem Jahr immer in Hamburg gespielt, hatten auch gegen den HSV viele große Spiele dort. Wir kennen die Arena in- und auswendig. Viele THW-Fans werden vor Ort sein. Wir fahren dieses Mal nicht als Favorit hin. Für mich wäre es natürlich ein schöner Abschied, wenn wir den Titel gewinnen.“
► die Zeit nach der Karriere: „Worauf ich mich freue, ist, dass ich im Sommer nicht mehr im Hinterkopf haben muss, dass ich für die Sommervorbereitung fit werden muss. Dass ich in den Urlaub fahren kann und machen kann, was ich möchte und nicht nach Trainingsplänen arbeiten muss. Unser Traum war immer mal nach Australien zu fahren. Leider kam Corona dazwischen. Vielleicht schaffen wir es als Familie im nächsten Jahr.“
► die Vorfreude und Angst, dass es in drei Wochen vorbei ist: „Am 8. Juni ist quasi das letzte Spiel. Traurig wird man schon. Ich habe 16 Jahre Profi-Handball gespielt, habe immer alles reingelegt. Nach einigen Wochen wird mir der Handball fehlen. Gefühlt war ich ja mit den Jungs öfter unterwegs als mit der eigenen Familie.“
► Den Wechsel vom Parkett an den Schreibtisch: „Ich habe den Vorteil, dass ich im Verein bleibe. Ich wechsle in die Büroarbeit, habe aber weiterhin Kontakt mit den Jungs. Das Glück hat nicht jeder. Ich bin jemand, der gern neue Aufgaben annimmt, damit wächst. Und ich habe den gleichen Anspruch, den ich auch als Spieler habe. Ich möchte das, was ich dann mache, auch gut machen.“
► Ein mögliches Comeback: „Ja, was soll ich sagen? Wenn ich mir Lütti (Melsungen-Torwart Carsten Lichtlein, d.Red.) angucke mit 42, kann man sich vielleicht nicht festlegen. Für meinen Kopf ist es jetzt aber erst mal vorbei.“
[–>► die Liebe der Fans: „Da bin ich selbst sehr überrascht und denke, dass ich doch einiges richtig gemacht habe mit meiner Art und damit, wie ich das Ganze angegangen bin. Ich weiß, dass ich mit meiner Spielweise gerade den Auswärtsfans nie Freude bereitet habe. Aber gerade jetzt, wo mein Karriereende feststand, habe ich sehr viele Nachrichten und Zuspruch bekommen. Das ist unglaublich schön und ehrt mich.“
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