Dieser Wechsel mitten in der Saison der Easycredit Basketball-Bundesliga überraschte alle: Kevin Yebo (29) verließ Anfang März die Bayern auf eigenen Wunsch trotz Vertrags bis 2027. Der Center kehrte München nach gerade mal einem halben Jahr den Rücken und zurück nach Chemnitz.
Yebo ist zurück beim alten Klub, zurück in der alten Wohnung mit Freundin und dem gemeinsamen 3-jährigen Sohn. SPORT BILD erreichte ihn zum Interview übrigens in Bayern-Hose („Alle Chemnitz-Sachen sind gerade in der Wäsche“) und Yebo schildert, wie er seine Freude am Basketball wiedergefunden hat.
SPORT BILD: Sie sind seit gut vier Wochen zurück in Chemnitz, wie bewerten Sie ihre Leistung seitdem?
Yebo: Ich bin direkt wieder gut reingekommen. Ich muss dazu sagen, dass ich gefastet habe während des Ramadans. Das war dann von der Energie auch nicht immer so einfach. Aber das habe ich gut gemacht. Vom Spielstil ist vieles gleich geblieben, ich kenne die Systeme gut. Der Start war sehr gut.
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Sie haben die Bayern überraschend verlassen, sprachen davon, dieses Hamsterrad nicht mehr zu wollen. Was bedeutet das?
Es ist eine lange Geschichte. Meine Vergangenheit als Kind war nicht so einfach, ich hatte viele Probleme, auch private, ich war im Kinderheim. Basketball war für mich immer so ein Ort, an dem ich meinen Frieden habe. Dann bin ich besser geworden und so in diese Karriereschiene reingekommen, wo man immer weiter kommen will. Da habe ich mich so ein bisschen verloren, in diesem Verlangen, immer weiter kommen, immer bessere Verträge bekommen zu wollen, Euroleague oder sogar vielleicht NBA zu spielen. Da habe ich so ein bisschen vergessen, warum ich mit Basketball angefangen habe. Ich habe es immer geliebt Basketball zu spielen, kreativ zu spielen. Basketball und ich haben wirklich eine super schöne Beziehung und das habe ich bei Bayern so ein wenig aus den Augen verloren und mich in diesem Karriere- bzw. Hamsterrad verloren.
[–> Die Rückkehr nach Chemnitz also genau richtig, hier haben Sie ihr Glück wiedergefunden?
Absolut. Für andere Leute ist der Wechsel ein Rückschritt, für mich ist das ein totaler Fortschritt. Ich habe wieder herausgefunden, was ich will und was mein Herz begehrt. Ich bin mega glücklich. Das bestätigt mich in dieser Entscheidung immer wieder.
War der Druck bei Bayern zu hoch?
Der Druck war natürlich höher als in Chemnitz. Die Spieler haben alle große Namen. Das sind ja dann auch viele energetische Dinge, die da los sind. Da kommen Weltmeister in die Kabine, man sieht ja, was passiert, wenn man diesen Spielern begegnet. Man hat Respekt, diese Spieler haben eine Aura. Das habe ich schon gemerkt, als ich in die Kabine kam: ‘Wow, das ist hier schon ein anderes Level. Jetzt muss ich mich hier wieder durchsetzen.‘ Ich hatte eine Phase, wo ich das gut umgesetzt habe, und von Gordie (Bayern-Trainer Gordon Herbert/d. Red.) auch Lob bekommen habe. Ich habe gemerkt, dass ich das auch kann, aber ich habe auch gemerkt, dass ich das nicht will. Das war das Problem.
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Wann tauchten diese Probleme, diese Gefühle erstmals auf?
Das ist in mir schon in Chemnitz gewachsen am Ende der letzten Spielzeit. Ich habe eine super Saison gespielt und mich schon ein paar mal mental damit beschäftigt: ‚Wie wäre es jetzt Euroleague nächstes Jahr zu spielen und dann auch da anzugreifen?‘ Intuitiv habe ich schon gemerkt, wo es hingeht, was da auf mich zukommt, als ich die Entscheidung getroffen habe, zu Bayern zu wechseln. Dann kam noch ein familiärer Schicksalsschlag dazu. Das Paket, was ich tragen musste, hatte sich verdoppelt. Ich habe trotzdem gesagt, ich gehe da rein und gebe alles, was ich kann. Es ist ja ein Weg, den man da geht, diese Karriereleiter, auf der ist man ja schon lange. Man will gucken, was da oben ist. Das war mein Traum als Kind, die NBA. Dann bist du auf einmal da oben, wo du hinwolltest und dann merkst du, was da abgeht, wie viel Politik, was da alles dazugehört, da oben auch erfolgreich zu sein. Das ist nicht für jeden, für mich ist es das einfach nicht. Das habe ich für mich erkannt, gar nicht schlimm. Ich bin froh und dankbar, dass ich das überhaupt erfahren durfte.
Würden die Bayern irgendwann wieder Interesse an Ihnen zeigen, würden Sie nein sagen?
Hmmm … sag niemals nie, ist meine Meinung. Aber ich werde auf jeden Fall meinem Herz folgen. Wenn mir jemand jetzt noch an diesem Punkt in meiner Karriere etwas schmackhaft machen will, muss er auf mein Level kommen, was ich mir als Basketballer geben will. Für mich macht es keinen Sinn mehr, irgendwen von mir zu überzeugen.
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Wie gingen die Bayern und speziell Gordon Herbert mit ihren Problemen um?
Da muss ich Bayern ‘props‘ geben (frei übersetzt: Anerkennung geben). Ich habe von Anfang an klar kommuniziert, was bei mir familiär vorgefallen ist. Sofort wurden mir Türen geöffnet, es wurde direkt auf mich aufgepasst. Ich hatte das Gefühl, dass alle ein Auge auf mich hatten. Die Jungs haben mir geschrieben, ob ich etwas brauche. Ich habe sofort psychologische Hilfe bekommen. Es wurde für alles gesorgt, da muss ich danke sagen, das hat mir sehr geholfen.
Und sie wollten sich ja auch bei Bayern immer noch durchsetzen …
Ich habe immer versucht, das Team an erste Stelle zu stellen. Ich habe diese Sorgen schon lange in mir gespürt habe. Ich habe dennoch so gut wie möglich versucht, Energie auf der Bank auszustrahlen, zu klatschen, Energie zu geben. Aber irgendwann war ich an einem Punkt, wo ich gemerkt habe, dass ich nicht mehr so viel geben kann. Dafür habe ich mich selbst so ein bisschen verurteilt. Es wurde echt schwierig für mich, das habe ich auch kommuniziert. Wie ich bereits sagte, Basketball hat mir immer Frieden gegeben. Das habe ich in dieser Phase am meisten gebraucht, Basketball zu spielen – wenigstens etwas zu haben, wo man nicht so verkopft ist und den Kummer spürt. Das hätte mir viel geben und auch nehmen können, mehr zu spielen, das hat mir voll gefehlt. Das habe ich so kommuniziert. Gordie hat das total verstanden, der Sportdirektor auch und sie haben gesagt: ‘Wir werden das Richtige für dich finden.‘ Dass ich jetzt hier sitze und es mir so gut geht, da kann ich nur noch mal allen Leuten bei Bayern danke sagen. Das sind super Menschen.
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Es hieß, Sie hätten einige Trainingseinheit bei Bayern verpasst …
Ich war immer beim Training. Sobald ich kommuniziert habe, dass ich mental nicht mehr kann, war halt Schluss. Ging auch nicht mehr. Ich habe immer alles angesprochen, es war nicht so, dass ich geschwänzt hätte. Ich bin ein professioneller Spieler, ein respektvoller Mensch, die Gegenpartei weiß immer, woran sie bei mir ist. Da muss so gesagt werden.
Sie wollen im August an der Afrika-Meisterschaft, der AfroBasket, teilnehmen und für das Heimatland ihres Vaters Elfenbeinküste spielen …
Wenn ich gesund bleibe und die Zeit finde, dann bin ich dabei. Ich bin in Kontakt mit der Nationalmannschaft und die würden sich freuen, wenn ich dabei bin. Das wäre ein Meilenstein. Ich habe früher Fußball gespielt, wollte Profi werden. Didier Drogba war mein Lieblingsspieler. Es war mein Traum für die Elfenbeinküste Fußball zu spielen. Jetzt vielleicht Basketball, das wäre schön. Mein Vater säße auf der Tribüne, würde mich anfeuern ….
Und ihr Klub müsste auch mitspielen. Der Vertrag in Chemnitz läuft bis Saisonende. Korrekt?
Ich habe hier bis Saisonende ohne Optionen unterschrieben. Was danach passiert, ist völlig offen. In einem Jahr kann so viel passieren und ich will einfach meinem Herz folgen, das ist schwer, wenn man gebunden ist. Man lernt dazu. Ich weiß nicht, ob ich in meiner Karriere überhaupt noch mal einen Zweijahres-Vertrag unterschreiben will.
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