„Meine Bayern“ heißt die Kolumne von SPORT BILD-Reporter-Legende Raimund Hinko, die sich mit dem deutschen Rekordmeister befasst. Hinko begleitet den FC Bayern seit Jahrzehnten.
Lieber Thomas Müller,
es gibt mindestens 20.000 Möglichkeiten, in zwei, drei Jahrzehnten immer noch von Dir zu hören. Entweder hängt Dir irgendeine IOC-Präsidentin eine Goldmedaille um den Hals, weil einer deiner Gäule fit genug war, Dich über den Olympischen Dressurparcour zu tragen. Oder Du kaufst Dir einen Fußballverein ohne Altersbegrenzung. Oder Du kaufst Dir auf dem Oktoberfest ein Wiesn-Zelt mit der besten Blasmusik. Überall klingt das nach Lachen. Nach guter Laune.
[–>Das mit der Gold-Medaille halte ich für am wahrscheinlichsten, weil Du an der Seite von Ehefrau Lisa, der Züchterin und Reiterin, mit Pferden umgehen kannst und beim FC Bayern neben dem Fußball, Basketball, Handball, Schach, Tischtennis und Kegeln mit der Reiterei eine weitere Abteilung gründen kannst.
Es gibt Stimmen im Land, die Dich als Showmaster beim TV sehen. Als Nachfolger von Hans Rosenthal („Dalli, Dalli“), von Thomas Gottschalk („Wetten, dass..?“) oder noch besser von Günther Jauch („Wer wird Millionär?“). Du würdest auch da (hundertprozentig…) eine gute Figur abgeben mit deinem angeborenen Humor, mit deiner Redegewandtheit (Spitzname „Radio Müller“).
Einfach legendär!: DIESEN Müller-Auftritt werden wir nie vergessen
Du könntest praktischerweise auch Bayernpräsident werden oder erst wie einst Franz Beckenbauer und Karl-Heinz Rummenigge als Vize in den Wahlkampf ziehen mit dem Slogan „Niemals mehr als 17 Millionen“. Also versuchen, die explodierenden Gehälter zu bremsen, alles über 20 Millionen zu verbieten.
Genug der Phantasie – es gibt tausende von Möglichkeiten für Dich nach dieser tollen Bayern-Zeit, die vor 25 Jahren in der D-Jugend begann und die Du jetzt mit 497 Bundesligaspielen (150 Tore) und 131 Länderspielen (46 Tore) mit 35 Jahren beenden musst. Mit dem Qualitäts-Begriff „Raumdeuter“ (verliehen auf Lebenszeit), nachdem Du in Tornähe immer Wege gegangen bist, Tore eröffnet hast, die für Gegner und teils auch Mitspieler unvorhersehbar waren. Die der Trainergott Louis van Gaal, nachdem er Dich für die Bundesliga entdeckt hatte, mit dem Slogan adelte: „Ein Müller spielt bei mir immer.“ Du warst so erfrischend anders.
Emotionale Video-Botschaft: Jetzt wendet sich Müller noch mal an die Fans
Du kannst Dir jetzt, nachdem Du keinen neuen Vertrag mehr bekommst, für den Rest der Saison eine Krone aufsetzen, weil Du Jamal Musiala vertreten musst, der sich in Augsburg wenige Minuten nach seinem Wundertor zum 1:1 eine schwere Muskelverletzung zuzog. Es wird Dir, der Du dieses Jahrhunderttalent vom ersten Tag an bei den Profis gefördert hast, vor allem nach dem entscheidenden Tor zur Meisterschaft am 22. Mai 2023 in Köln, viel gelacht hast mit ihm (wie wichtig das ist), eine Ehre sein. Hoppla, noch ein Job: Einfach TALENT-FISCHER kannst Du werden, das wäre die allerbeste Aufgabe für Dich, das könnte zum Traumjob werden…
Wer in Augsburg ganz genau hingeschaut hat, konnte sehen, wie Musiala mit schmerzverzerrtem Gesicht, gestützt von Bayern-Arzt Dr. Jochen Hahne und einem Physio, vom Feld humpelt, wie er sich jedoch kurz vor der Aus-Linie losreißt, um Dir, lieber Thomas, der für ihn rein kam, zu berühren und ihm Glück zu wünschen. Da sagt so eine kleine Szene mehr als viele Worte.
[–>Überhaupt sehe ich Dein Aus bei Bayern, so eigenartig es zu Stande kam, nicht so dramatisch wie viele Fans oder auch Kollegen bei den Medien. Es kam ehrlich rüber – und das ist mir lieber als groß zu heucheln oder drumherum zu schleimen. Sehr ehrlich kommen die Worte von Karl-Heinz Rummenigge, mittlerweile Aufsichtsrat, im SPORT-BILD-Buch „125 Jahre Bayern München“ rüber: „Obwohl er nicht wahnsinnig schnell ist, technisch nur Durchschnitt und kein überragendes Dribbling hat – wann immer er aufhört, Fußball zu spielen, kann er in den Spiegel schauen und über sich selber sagen: ‚Ich habe 100 Prozent meines Talents, das mir der liebe Gott gegeben hat, ausgeschöpft.‘ Thomas ist Weltmeister geworden, Europacupsieger. Alles, was es gibt auf dieser Welt hat er nicht nur gewonnen, sondern seinen Beitrag dazu geleistet. Mitläufer gibt es so viele. Thomas Müller war viel mehr.“
Das kann er jetzt zum Abschied in der Champions-League gegen Inter Mailand und den restlichen sechs Bundesligaspielen zeigen. Es können die Thomas-Müller-Festspiele werden. Bei jeder Ballberührung ein Aufschrei, der aus vollem Herzen kommt. Wenn es dennoch im Krach endet, dann ist es leider nicht anders als bei Franz Beckenbauer und Gerd Müller, den beiden Allergrößten – auch wenn es erst viele Jahre später nach ihrem Tode zum Denkmal reichte. Das von Müller steht schon, neben ihm wird bald der Kaiser stehen.
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