„Meine Bayern“ heißt die Kolumne von SPORT BILD-Reporter-Legende Raimund Hinko, die sich mit dem deutschen Rekordmeister befasst. Hinko begleitet den FC Bayern seit Jahrzehnten.
Lieber Kingsley Coman,
oftmals genügt ein Blick – und ich weiß, was in einem Spieler vorgeht. Was er denkt, wie er handelt. Seit dem 4:0 in Heidenheim würde ich (fast) jede Wette eingehen, dass Du den FC Bayern verlässt.
Es war zunächst ein Befreiungsschrei, ein leichtes Aufheulen im Körper nach deinem Kunstschuss zum 3:0. Einem Flachschuss aus dem spitzestem Winkel, der Ball irgendwie zwischen dem rechten Pfosten und den Beinen von Torwart Kevin Müller – von dort, wo ein normaler Mensch nicht schießt. Du hast spontan eine fast trotzige Jubelbewegung gemacht, um sofort – als die Kameraden zur Gratulation herbeistürmten, in eine Passivität zu fallen. So als würde alles in Dir zusammenfallen. Du warst mit einem Mal einen Kopf kürzer. So als wolltest Du den anderen sagen: „Nett, dass ich noch eure Anerkennung bekomme. Dauert eh nicht mehr lang. Bin eh bald weg. Seid mich eh bald los, obwohl ich hier noch einen Vertrag habe bis 2027.“ Und dann warst Du mit einem Mal ganz weit weg – egal ob in Saudi Arabien oder wo auch immer.
[–>Seit vielen Wochen hält nun schon dieser interne Kampf der Flügelstürmer an, von denen einer gehen muss. Und jedesmal wurden die Aktien der konkurrierenden Kameraden besser. Fast immer sorgten sie für Belebung, konnten wenigstens einigermaßen mit Spielwitz oder Toren glänzen. Ob nun Leroy Sané, 29 Jahre alt, Vertrag bis 30.6.2025 mit einem Angebot bis 2026, bekennender Münchner. Oder ob Serge Gnabry, 29 Jahre alt, Vertrag bis 2026, ebenfalls ganz gern ein Münchner.
Einen von euch Dreien wird es erwischen. Jeder tut mir jetzt schon leid. Denn egal, ob er zukünftig mehr verdient oder mehr Anerkennung genießt – schöner als in München, noch dazu beim FC Bayern, wird er es kaum haben. Frag nach bei vielen, vielen großen Meistern des runden Leders, die es wieder zurückzog – als Spieler, als Trainer, als Präsident. Oder zumindest als Kurz- oder Langzeit-Urlauber.
Kingsley Coman erzielte beim Spiel in Heidenheim am Wochenende das 3:0 für den Rekordmeister
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Eine solch überragende Visitenkarte wie Du, lieber Kingsley Coman hat sowieso kein Zweiter anzubieten. In seinen zehn Profijahren hast Du acht Meisterschaften gefeiert – eine in Deiner Geburtsstadt Paris mit St. Germain, eine mit Juventus Turin, acht mit Bayern München.
Nur einmal, 2024, gab es nichts zu feiern. Dafür hast Du mit dem 3:0 in Heidenheim (schwer genug) eine Art Dosenöffner durchgestochen zur Meisterschaft (höchstwahrscheinlich). Und die Fans haben sich gern erinnert an 2020, an das Sixtuple-Meisterstück des Super-Trainers Hansi Flick, als Du im Champions-League-Finale gegen Paris (Ja, es war gegen den Heimat-Club) nicht nur ein Tor geköpft hast. Es war dein Ex-Klub. Es war das goldene Tor zum 1:0, das Bayern weltweit die Tore öffnete. Es fiel nach einer Flanke des bekannten Rechtsverteidigers Joshua Kimmich. Es war – wie bestellt – das 500ste Tor des FC Bayern in der Champions-League. Mit deinen 1,81 oder eventuell nur 1,79 Metern Länge – Du bist kein Kopfballungeheuer – den Ball über die Arme und Hände des Pariser Torhüters Kyler Navas hinweg. „Obwohl ich die Augen geschlossen hatte“, wie Du erzählt hast. Man kann sich notfalls eben auch blind verlassen auf Dich. Du sprichst dieselbe Sprache, wie der französische Belgier Vincent Kompany, bekanntlich Dein Trainer, zu dem man Dir einen relativ guten Draht nachsagt. Was ein Vorteil – doch auch ein Nachteil sein kann.
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Jedenfalls sollst Du dich in der gehobenen Gehaltsklasse bewegen, in der Gegend der Vereins-Ikone Thomas Müller, was kein Garantieschein für eine Verlängerung ist. Genau so wenig wie dein Fleiß, ganz schnell Deutsch zu lernen – im Gegensatz zu manch anderen.
Vielleicht ist es diesmal das Tor zu Deiner elften Meisterschaft – mit dem Du allem die Krone aufsetzt.
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