„Videobeweis auf dem Niveau eines Oberligaspiels.“
„Ganz komische Pfiffe, die ich so lange nicht erlebt habe auf dem Niveau.“
„Eine Linie, die eine aggressive Grundstimmung begünstigte.“
Mit seinen Äußerungen nach dem Lidl Final4 um den DHB-Pokal löste Juri Knorr (24) vergangene Woche ein mittelschweres Handball-Beben aus.
Schließlich steht die Umsetzung der Regeln zum zweiten Mal in kurzer Zeit stark in der Kritik. Vor vier Wochen deckte SPORT BILD einen Skandal in der 2. Liga auf, bei dem Lübeck mit einem Mann zu viel auf der Platte in letzter Sekunde den Ausgleich gegen Dresden warf.
Die Frage: Haben der DHB – der größte Handball-Verband der Welt – und die Daikin HBL – die stärkste Liga der Welt – ein Schiedsrichterproblem?
Griff in den Wurf-Arm: Verpassen die Schiris hier Video-Rot?
Der große SPORT BILD-Report über Schiris, Schauspielerei und Video-Schwachsinn.
Was die Schiedsrichter angeht, ist Füchse-Boss Bob Hanning (57) in seiner Kritik vorsichtig: „Wir müssen uns eine Sache auch ehrlich bewusst machen: Das sind die einzigen Amateure, die wir haben in unserer Sportart. Wir trainieren zweimal am Tag, und das machen die nicht.“ Die Unparteiischen bekommen in der HBL 600 Euro pro Einsatz, machen die Spielleitung neben ihren Hauptberufen.
Dennoch weiß Hanning, dass es Qualitätsunterschiede gibt, die er auch beim Final4 sah: „Fangen wir mal ganz oben an. Schulze/Tönnies beim Finale: überragend. Du kannst Spiele nicht besser pfeifen. Punkt. Aber das ist so wie in der Tabelle auch. Du hast Weltklasse, du hast Mittelmaß und du hast Abstieg. Du hast Menschen, die das ganz hervorragend machen, und Menschen, die es nicht so gut machen.“
SPORT BILD weiß: Das Gespann Blümel/Loppaschewski, das beim Spiel um Platz 3 im Einsatz war, steht immer wieder in der Kritik, weil sie angeblich zu Beginn zu viel durchgehen lassen. Das war auch einer der Hauptkritikpunkte Knorrs.
Jörg Loppaschewski (53) hört zum Saisonende auf, Ex-HSV-Torwart Jens Vortmann (37) soll dann den Platz neben Nils Blümel (43) einnehmen.
[–>Etwas, wofür die Referees wenig können, was aber immer mehr stört: die zunehmende Schauspielerei.
Melsungens Kapitän Timo Kastening (29) hatte sich deshalb klar geäußert: „Der Handball kann glücklich sein, dass im Fußball noch mehr geschauspielert wird. Geht ein Schlag irgendwie auf die Brust, wird der Kopf nach hinten genommen, jeder Spieler versucht zu schinden, zu schauspielern.“
Deutschlands Schiedsrichter-Chefin Jutta Ehrmann (61) bestätigt: „Das ist in der Tat in den letzten Jahren eine Tendenz in unserer Sportart. Im Rahmen unserer Meetings mit den Schiedsrichtern hatten wir diese Themen als Schwerpunkt gesetzt.“
Auch HBL-Justiziar Andreas Thiel (65) hat dazu eine klare Meinung. Die Torwart-Legende zu SPORT BILD: „Ich weiß nicht, ob die Schwalben flächendeckend sind. Beim Final4 war es auf jeden Fall ein bisschen zu viel des Guten. Ein paar Spieler sind einfach zu lange liegen geblieben.“
Für den einst „Hexer“ genannten Weltklasse-Torhüter eine Frage der Ehre: „Wenn ich liegen geblieben bin, war ich danach im Krankenhaus.“
Zum Schwalben-Schwachsinn kommt der Video-Wirbel. Die Anwendung des Hilfsmittels wird immer wieder diskutiert: zu viel, zu wenig, zu schlecht.
Nach Kritik von Juri Knorr: Hat die Handball-Bundesliga ein Schiedsrichter-Problem?
Thiel sagt zwar: „Nach den ersten Holprigkeiten hat sich der Videobeweis insgesamt bewährt.“ Ergänzt mit Blick aufs Pokalhalbfinale Kiel gegen Rhein-Neckar Löwen: „Das Verlangen des Videobeweises aufseiten der Schiedsrichter war mir doch ein bisschen zu viel.“
Ähnlich sieht es Bennet Wiegert. Der Trainer des SC Magdeburg findet, dass es immer noch keine klare Linie gibt, wann und wie oft die Schiris zum Monitor gehen, sagt zu SPORT BILD: „Was ich bewerten kann, und was man schon vielleicht hinterfragen sollte, ist, dass ich einen Unterschied zwischen Liga und nationalem Final4 gesehen habe. Und der dürfte meiner Meinung nach nicht sein. Da rede ich jetzt nicht über Inhalte, sondern über die Frage, wie oft man auf die Maßnahme Videobeweis zugegriffen hat.“
Wiegerts Verdacht: „Legt man da eine andere Wertigkeit aufs Final4? Jedes Bundesligaspiel soll bitte genauso wertig sein wie ein Pokalfinale oder ein Pokalhalbfinale. Ich weiß nicht, ob es da nochmal ein Briefing gab an Schiedsrichter, das muss man Jutta fragen.“
Die Reaktion ist kaum zu fassen: Handball-Star kriegt Ball voll ins Gesicht
Jutta Ehrmann sagt dazu: „Es gab wie jedes Jahr ein allgemeines Briefing vor dem Final4 für die Schiedsrichter gemeinsam mit den Delegierten, um sich auf dieses Turnier einzustimmen. Ein Punkt der Agenda war die im Final4-Turnier zur Verfügung stehende Torlinientechnik als Möglichkeit, mit dem VR Tor ja oder nein zu checken. Generell haben wir unseren Schiedsrichtern für die Liga und für alle anderen Spiele mit VR-Möglichkeit dringend empfohlen, vor einer Disqualifikation den VR zu nutzen. Der VR ist ein technisches Hilfsmittel, das von uns als sehr nützlich empfunden wird. Es gibt unsererseits keine unterschiedlichen Anweisungen zwischen Liga und Pokal.“
Stefan Kretzschmar (52), Sportvorstand der Füchse Berlin, sagt zu SPORT BILD: „Beim Final4 ist das häufige Heranziehen des Videobeweises deshalb aufgefallen, weil viel mehr Leute zusehen. Wichtig ist: Die Schiedsrichter müssen besser mit diesem Tool arbeiten. Der Videobeweis an sich ist ja nicht amateurhaft, er wird halt nicht immer professionell genutzt.“
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