Das Interview mit Red-Bull-Teamchef Christian Horner über seinen Ruf, Angebote anderer Teams und die Zukunft von Weltmeister Max Verstappen.
SPORT BILD: Herr Horner, Sie sind seit 2005 Teamchef von Red Bull, haben 14 WM-Titel – acht Fahrertitel und sechs in der Konstrukteurswertung – geholt. Was ist die wichtigste Eigenschaft, um sich in der Formel 1 über eine so lange Zeit ganz oben zu halten?
Christian Horner: Entschlossenheit. Die Formel 1 ist ein schwieriges Umfeld, man muss sich im Klaren darüber sein, was man will und wie man das am besten erreicht. Pläne für die Zukunft sind wichtig, aber man darf nicht starr daran festhalten. Man kann nicht zu weit in die Zukunft schauen. Einer der Schlüssel zum Erfolg ist auch die geringe Fluktuation unter den Mitarbeitern in den vergangenen zwei Jahrzehnten.
Was treibt Sie persönlich jeden Tag an?
Da brennt dieses Feuer in mir: Das Erreichte ist nie genug! Selbst nach einem gewonnenen Rennen frage ich mich, was wir hätten besser machen können. Und das, obwohl wir 124 unserer insgesamt 401 Grands Prix gewonnen haben, die meisten eines Rennstalls im 21. Jahrhundert. Darauf darf man sich aber nicht ausruhen. Es geht immer darum, wie wir uns verbessern können. So habe ich schon immer getickt, und solange dieses Feuer in mir brennt, mache ich weiter.
[–>Was ist Ihnen wichtiger – Beliebtheit oder Erfolg?
Mir ist es egal, ob ich im Fahrerlager gemocht werde oder nicht. Deswegen bin ich nicht hier. Mein Job ist es, diesen Rennstall so erfolgreich wie möglich zu machen. Ich bin dabei sehr direkt in meiner Ansprache, stelle mich immer vor meine Fahrer und mein Team. Das kommt bei einigen unserer Rivalen nicht so gut an. Aber es geht hier um den Gewinn von Weltmeisterschaften, nicht um einen Beliebtheits-Wettbewerb.
Haben Sie einen echten Freund in der Formel 1?
Ich bin in der Zeit von Ron Dennis, Jean Todt, Flavio Briatore, Frank Williams und Bernie Ecclestone in den Sport gekommen. Das waren Gentlemen. Damals hat man probiert, sich mit allen Mitteln auf der Strecke zu besiegen und sich danach wieder die Hand gegeben. Leider haben sich die Zeiten ein bisschen geändert. Es wird mehr getuschelt als Tacheles geredet. Aber es gibt auch heute eine Menge Leute, die ich respektiere.
Horner: „Yuki Tsunoda hat den schwersten Job der Formel 1“
Zum Beispiel?
Stefano Domenicali (Formel-1-CEO; d. Red.) gehört dazu. Auch Toto Wolff macht bei Mercedes einen tollen Job.
Und Zak Brown bei McLaren?
Er leistet gute Arbeit, sonst würden sie nicht beide WM-Wertungen anführen. Aber er hat seine eigenen Probleme, weil die Situation neu für ihn ist. Wenn man vorne fährt, werden die Fahrer, Autos und das Team genauer unter die Lupe genommen. Wir kennen das seit 2009.
Es gibt immer wieder Gerüchte, dass McLaren trickst. Sind die Autos illegal?
Sie haben alle Tests der Fia (Weltverband/d.Red.) bestanden. Aber das Regelwerk der Formel 1 ist sehr kompliziert, und es gibt immer wieder Interpretations-Spielräume. Deshalb hinterfragen Teams auch andere Teams. Da muss man durch. Und wie gesagt: Das haben die anderen auch bei uns gemacht.
Was ist das Ziel von Red Bull in der laufenden Saison?
Was die Konstrukteurs-WM angeht, müssen wir realistisch sein. Nur eines unserer Autos fährt konstant um Siege mit. Es wäre unrealistisch zu glauben, dass wir diesen Wettbewerb gewinnen können. Deswegen konzentrieren wir uns mit beiden Autos voll auf die Fahrer-WM. Max (Verstappen) hat noch alle Chancen, Yuki (Tsunoda/d.Red.) unterstützt ihn so gut es geht. Es wäre gigantisch, wenn Max seinen fünften Titel in Folge gewinnen könnte. Das hat bisher nur Michael Schumacher geschafft.
Welche Schulnote würden Sie der Saison nach acht Rennen geben?
Eine 3+.
Warum?
Schauen Sie sich die Fakten an: Acht Rennen sind gefahren, zwei davon konnten wir gewinnen. Zudem standen wir dreimal auf der Pole-Position. Das ist nicht schlecht, aber wir haben Boden gutzumachen. Zum Glück kommen wir langsam in Fahrt.
Welche Note würden Sie Max Verstappen geben?
Max macht einen Mega-Job. Er holt das Maximum aus dem Auto und gewinnt Rennen, die sonst kein Fahrer unter diesen Voraussetzungen hätte gewinnen können. Seine Saison ist eine Eins.
Und Yuki Tsunoda?
Yuki hat den schwersten Job der Formel 1: Teamkollege von Max zu sein. Die ständigen Vergleiche sind hart. Das ist psychologisch nicht zu unterschätzen, wenn man gegen den besten Fahrer der Formel 1 – vielleicht sogar den besten aller Zeiten – antritt. Aber Yuki macht seine Sache bisher gut, fährt regelmäßig in die Punkte.
Tsunodas Unfall beim Qualifying in Imola – den Crash überstand der Japaner unverletzt
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Fährt er auch nächstes Jahr für Red Bull?
Menschlich passt Yuki super zum Team. Er ist ein guter Typ, der sich gut in der Garage einbringt. Aber wenn er für nächstes Jahr in Betracht gezogen werden möchte, muss er sich weiter steigern.
Wer wäre Ihr Wunschfahrer für das zweite Cockpit? In der Netflix-Doku „Drive to Survive“ sprechen Sie sehr lobend über McLarens Oscar Piastri.
(schmunzelt und winkt ab)
Also?
Oscar ist ein fantastischer Fahrer, mental sehr stark. Er ist das komplette Paket, obwohl er noch sehr jung ist. Er hat eine große Zukunft vor sich – und einen langfristigen Vertrag bei McLaren. Das respektieren wir.
Der Vertrag von Verstappen läuft noch bis Ende 2028. Zuletzt vermied er aber ein klares Bekenntnis.
Wir sind nicht im Geringsten besorgt. Max hat seine Position intern sehr klargemacht. Er fühlt sich wohl bei uns, arbeitet gerne mit dem Team. Seine Mentalität ist deckungsgleich mit unserer: Wir wollen immer gewinnen. Ich sehe ihn in der näheren Zukunft nirgendwo anders als bei Red Bull.
„Im Laufe der Zeit hatte ich von so ziemlich jedem Rennstall eine oder mehrere Anfragen“
Es gab zuletzt auch Gerüchte, dass Sie gehen könnten. Was ist wahrscheinlicher: dass Sie nächstes Jahr noch bei Red Bull sind oder Verstappen?
Da wird außerhalb des Teams mehr geredet als innerhalb. Ich habe den Rennstall von Tag eins aufgebaut. Meine Bilanz spricht für sich. Ich bin dem Team, den 2000 Menschen, die für uns arbeiten, und den Anteilseignern voll und ganz verpflichtet und spüre die volle Unterstützung. Ich sehe mich nirgendwo anders. Ich freue mich auf die Zukunft mit den neuen Motoren ab der nächsten Saison.
Nervt es Sie, die Frage nach Ihrer Zukunft immer wieder beantworten zu müssen?
Gerüchte gehören zur Formel 1 dazu. Aber noch mal: Ich spüre das Vertrauen und will gar nicht woanders arbeiten. Das zeigt ja auch der Fakt, dass ich noch hier bin. Im Laufe der Zeit hatte ich von so ziemlich jedem Rennstall eine oder mehrere Anfragen. Das ist schmeichelhaft, aber Red Bull ist mein Zuhause.
Max Verstappen im Red Bull beim Grand Prix in Monaco
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Sind Sie trotzdem mal ins Grübeln gekommen?
Red Bull war immer meine erste Adresse, und ich kann mir keine andere Aufgabe vorstellen. Wenn ich wollte, könnte ich morgen aufhören. Ich habe mehr Rennen gewonnen als jeder andere Teamchef. Ich habe 14 WM-Titel geholt. Ich muss niemandem mehr etwas beweisen. Wenn ich morgen aufhören würde, hätte ich mehr erreicht, als ich mir jemals hätte erträumen können – und das, obwohl ich mit 51 Jahren der viertjüngste Teamchef bin. Aber ich will noch nicht aufhören. Mein Job ist mehr als nur ein Job. Ich fühle mich verbunden mit dem Rennstall.
Wenn Sie einmal aufhören – was kommt dann?
Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht, aber nach der vielen Reiserei in den vergangenen Jahren würde ich natürlich mehr Zeit mit der Familie verbringen. Wir sind gerne auf dem Land. Ich mag Pferde und Tiere allgemein, weil sie keine Erwartungshaltung an einen haben.
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