„Meine Bayern“ heißt die Kolumne von SPORT BILD-Reporter-Legende Raimund Hinko, die sich mit dem deutschen Rekordmeister befasst. Hinko begleitet den FC Bayern seit Jahrzehnten.
Lieber Vincent Kompany,
schade, dass Du schon wieder urlaubsreif bist nach ein paar Tagen. Ich könnte mir sogar verstellen, dass Du in einem Wutanfall den Fernseher aus dem Fenster geworfen hast. Denn kaum hast Du ein paar Minuten des Länderspiels der Deutschen gegen Portugal gesehen, dachtest Du, da stünden doch glatt Dayot Upamecano und Min-jae Kim auf dem Platz.
Doch nein! Es war Jonathan Tah, der plötzlich dieselben Aussetzer hatte wie der Franzose und der Südkoreaner. Die Tinte war noch nicht trocken auf seinem Vertrag, den der große Mann aus Leverkusen unterschrieben hatte, und schon schien er vom Abwehr-Virus des FC Bayern befallen. So ein Mist. Am Sonntag bei der zweiten Niederlage gegen Frankreich (0:2) sah es auch kaum besser aus. Hoffentlich bringst Du den Tah da wieder in die Spur.
[–>Da mag es nur ein kleiner Trost gewesen sein, dass es mit Michael Olise auf der anderen Seite ganz gut klappte, dass er das 2:0 für Frankreich schoss auf Vorlage von Kylian Mbappé. Man kann nur hoffen, dass die Entdeckung der Saison auch auf Joshua Kimmich abfärbt, der – kämpferisch immer stark – mit der Doppelbelastung als Kapitän der Nationalmannschaft und als Mittelfeld-Chef des FC Bayern eine Menge Verantwortung trägt auf seinen schmalen Schultern. Der nicht verhindern konnte, dass Bundestrainer Julian Nagelsmann wieder den Kardinalfehler beging, der ihm zu seinen Bayern-Zeiten so viel von seinem jugendlichen Zauber nahm, wenn er urplötzlich von der Viererkette – bei Bayern ein Heiligtum – auf Fünferkette umstellte. Und das wacklige Konstrukt Dreierkette nannte, um davon abzulenken, dass es eine Defensiv-Variante für mehr Sicherheit der traditionell anfälligen Abwehrreihen des FCB war. Überhaupt wirkte Nagelsmann ziemlich verspannt dieser Tage, das nur nebenbei.
Wie schwer es ein Kapitän haben kann, hat Philipp Lahm viele Jahre in Doppelfunktion beim FC Bayern (sechs Jahre, Champions-League-Sieg 2013) und beim DFB (vier Jahre, Weltmeister 2014) selbst erlebt. Dieses schlaues Bürschchen hat sich so seine Gedanken gemacht, wenn es um die Frage aller Fragen bei Jamal Musiala und Florian Wirtz geht, wer von den beiden Künstlern nun der Allergrößte des deutschen Fußballs sei. Vor allem, nachdem Wirtz sich gegen den FC Bayern und für den FC Liverpool entschieden hat, nachdem Du, lieber Vincent, ihn mit deinem Laptop-Vertrag scheinbar nicht hast überzeugen können.
Voll ins Gesicht!: Legenden gehen aufeinander los
„Musiala ist eher verspielt. Er ist wie eine Katze mit einem Wollknäuel. Er variiert auch mehr seine Positionen. Er spielt beschwingt, wenn auch nicht immer so zielstrebig“, hat Lahm trefflich analysiert. Und weiter: „Im Gegensatz dazu will Wirtz nicht nur am Angriffsspiel beteiligt sein, er will der entscheidende Teil davon sein. Er ist gradliniger und klarer im Kopf. Er wartet ab, wählt seine Momente und kann das Tempo eines Spiels mit einer Berührung oder einem Pass verändern.“ Auch da liegt Lahm richtig.
Doch wen liebt das Publikum mehr? Klar, die Katze mit dem Wollknäuel. Wer hat den größeren Einfluss auf eine Mannschaft? Der Hund Wirtz oder das Kätzchen Musiala? Wenn wir auf die beiden wirren Länderspiele blicken, lieber Vincent, fällt die Antwort gar nicht schwer.
[–>Wirtz blieb trotz seines Tores gegen Portugal und trotz seines Pfostenschusses gegen Frankreich relativ blass. Was hätte ihm da ein verspielter Ballmagnet wie Musiala, der gerade einen Muskel-Bündelriss hoffentlich vollständig auskuriert, gutgetan. Was auch die Frage beantwortet, ob die beiden beim FC Bayern zusammengepasst hätten. Ja doch!!!! Es wäre ein Segen für den deutschen Fußball gewesen. Ein Segen für den Fußball weltweit.
Vielleicht darf man dennoch träumen. Denn das nächste Länderspiel, wo die beiden zusammen auflaufen, kommt bestimmt.
Und wer weiß, lieber Vincent, vielleicht geschieht ein Wunder auf dem Transfermarkt, Leverkusen einigt sich eventuell doch nicht mit dem FC Liverpool. Und Du triffst Florian Wirtz ein zweites Mal so geheim, dass es erst rauskommt, wenn die Tinte auf dem Vertrag trocken ist.
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