Die Saison war eigentlich schon beendet. Aber jetzt soll die Spielzeit in der 2. Handball-Bundesliga ein vom Bundesgericht des Deutschen Handballbundes (DHB) in zweiter Instanz verordnetes Nachspiel bekommen.
In den Hauptrollen des völlig verrückten Krimis: Ex-Meister TuSEM Essen, der Dessau-Rosslauer HV und die Handball-Bundesliga (HBL). In einer wichtigen Nebenrolle agiert der ASV Hamm-Westfalen. Am Krimi-Drehbuch haben das Schiedsrichter- und Kampfgerichtswesen des DHB allerdings tatkräftig mitgeschrieben.
Auslöser ist die 27:28-Heimniederlage von TuSEM Essen gegen den Dessau-Rosslauer HV am 29. Spieltag (27. April), bei dem drei Sekunden vor dem Spielende regelwidrig ein Dessauer Spieler zu viel auf der Platte stand. Unbemerkt von Zeitnehmer und Sekretär am Tisch des Kampfgerichts, unbemerkt von beiden Schiedsrichtern.
Essen hatte damals fristgerecht einen Einspruch gegen die Spielwertung formuliert, der in erster Instanz von der 2. Kammer des DHB-Bundessportgerichts am 12. Mai im schriftlichen Verfahren zurückgewiesen wurde.
War aber nur der Anfang, der Gerichts-Hammer folgte nach Essens Gang in die Revision am Abend des 11. Juni und damit vier Tage NACH dem letzten Zweitliga-Spieltag.
Das DHB-Bundesgericht hob das Urteil der 2. Kammer (Aktenzeichen BSpG 2 K 01/2025) auf und stellte fest: „Die Wertung des Spiels Nr. 2-29-255… wird aufgehoben. Die Neuansetzung des Spiels wird angeordnet, wobei der Spieltermin vor dem 30. Juni 2025 zu bestimmen ist.“
Abstieg ungeklärt: Komplettes Chaos in der 2. Handball-Bundesliga
Warum das alles erst NACH dem letzten Spieltag geschah, ist den Fristenregelungen der DHB-Rechtsordnung geschuldet. Nach Zustellung des Erst-Urteils hatte TuSEM Essen zwei Wochen Zeit, um schriftlich Revision einzulegen.
Das taten die Essener fristgerecht am 27. Mai, nachdem sie am selben Abend 24:29 bei den Eulen Ludwigshafen verloren hatten. Offen ist, ob Essen auch in die Revision gegangen wäre, wenn sie in Ludwigshafen nicht verloren hätten.
Das Revisions-Urteil und die Annullierung stellte jedenfalls alles auf den Kopf, auch wenn das die aktuelle Tabelle auf der HBL-Homepage nicht widerspiegelt. Dort werden Essen und Dessau weiterhin mit 34 statt 33 absolvierten Partien geführt.
Durch die Aberkennung der zwei Punkte ist Dessau nicht mehr Zehnter, sondern Stand jetzt Tabellen-17. und damit zweiter Absteiger. Der ASV Hamm-Westfalen wäre laut aktueller Tabelle nicht mehr zweiter Absteiger, sondern via Tordifferenz knapp gerettet.
[–>Fiktive Rechnung: Gewinnt Essen die Neuauflage, springt TuSEM von Platz 15 auf Rang 9, qualifiziert sich damit für den kommenden DHB-Pokal und verdammt Dessau zum Abstieg. Pikant: Von einem Unentschieden hätten beide was. Auch mit einem Punkt wäre Essen als Zehnter im DHB-Pokal dabei, Dessau würde bei Remis über den Strich auf Platz 16 hüpfen.
Nach Informationen von SPORT BILD glühen seit vergangener Woche zwischen HBL, TuSEM Essen und dem Dessau-Rosslauer HV die Drähte, um einen Termin für das Wiederholungsspiel zu finden. Realistisch erscheint dafür die letzte Juni-Woche, nicht auszuschließen ist gar ein Anwurf am letzten Tag der Frist, dem 30. Juni.
Problem für die Klubs: Fast alle Spieler sind nach dem letzten Spieltag in den Urlaub aufgebrochen, an eine geordnete Vorbereitung auf das entscheidende Spiel ist auf beiden Seiten nicht zu denken, erhöhtes Verletzungs-Risiko inklusive.
Der salomonische Vorschlag, die kommende Zweitliga-Saison mit 19 statt 18 Mannschaften zu spielen, soll bei der HBL nicht auf Gegenliebe stoßen. Schließlich müsste unter anderem der fertige Spielplan der Saison 2025/26 mit den nötigen Zusatz-Spieltagen neu bestückt werden.
Der Regelverstoß beim Spiel Essen gegen Dessau ist allerdings nur ein Malus im diesjährigen Zweitliga-Verlauf. Ende März kam es bei den Partien des VfL Lübeck-Schwartau gegen den HC Elbflorenz (33:33) und des TuS Ferndorf gegen den ASV Hamm-Westfalen (35:34) zu von Kampfgerichten und Schiedsrichtern unbemerkten Regelverstößen mit zu vielen Spielern auf der Platte, die betroffenen Klubs verzichteten auf Einsprüche. Lübeck stünde ohne den damaligen Treffer zum 33:33 in der aktuellen Tabelle auf Abstiegsrang 17.
Beim 28:29 in Minden wurde Dessau am 31. Mai ein reguläres Tor zum 21:23-Zwischenstand von den Schiedsrichtern erst anerkannt, danach nicht gegeben. Theoretisch hätte dieser Treffer zu einem späteren Unentschieden führen können, mit dem vermeintlichen Punkt wäre Dessau trotz des angesetzten Wiederholungsspiels in Essen jetzt schon aus dem Abstiegs-Schneider. Pech für Dessau, dass es auf einen Protest verzichtete.
Fazit: Die Handball-Bundesliga rühmt sich völlig zu Recht als „beste Liga der Welt“, die 2. Liga zählt zu den fünf besten in ganz Europa. Das „beste der Welt“ – zumindest jedoch Bedingungen, die dem nahe kommen – dürfen Klub-Geschäftsführer, Spieler und Fans aber auch vom Liga-Umfeld erwarten.
Gerade noch gerettet: Pikanter Versprecher von Handball-Kommentator
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