„Meine Bayern“ heißt die Kolumne von SPORT BILD-Reporter-Legende Raimund Hinko, die sich mit dem deutschen Rekordmeister befasst. Hinko begleitet den FC Bayern seit Jahrzehnten.
Lieber Jamal Musiala,
niemals habe ich ein Geheimnis draus gemacht, dass ich deinen Stil, deinen Fußball liebe. Ich bin jetzt sehr traurig. Vielleicht weine ich auch. An Samstagen oder unter der Woche, wenn der rambohafte Fußball überwiegt, wenn ich das Filigrane, das Künstlerische vermisse. Den Fußball und die Kunst. Wo es doch immer wieder Zeiten gab, dass Funktionäre und Schiedsrichter sich schworen, die Spieler zu schützen – richtig ist das nie gelungen.
Ich will gar nicht drum herumreden, dass mich die Heuchelei des Pariser Torwarts Gianluigi Donnarumma, den ich bei der italienischen Nationalmannschaft als netten Kerl kennengelernt habe, ankotzt. Da mag er jetzt, wie er sagt, noch so viel beten für den schwer verletzten Kollegen – das Verhalten, das rigorose Einsteigen bleibt ohne Folgen, auch wenn es keine pure Absicht war.
[–>Da dies nicht genau festzustellen ist, gibt es für mich nur eine gerechte Strafe in diesem Fall: Der Spieler soll so lange gesperrt werden, wie der Gefoulte ausfällt. Diese Strafen wurden u.a. in den 70ern in Spanien verhängt. Paul Breitner und Günter Netzer, damals bei Real Madrid, haben das positiv bewertet, die Brutalo-Fouls gingen zurück.
Doch alles Gerede, alle Diskussionen, alle noch so gut gemeinten Genesungswünsche, alle noch so netten Gesten – nichts macht dich auf die Schnelle wieder gesund, lieber Jamal Musiala. Irgendwas habe ich schon geahnt, als dich Trainer Vincent Kompany bei der Klub-WM in der 2. Halbzeit nach 25 Minuten gegen die ruppigen Argentinier von Boca Juniors wieder vom Feld nahm, um dich zu schützen.
So schön es ist, als eines der größten Talente unseres Erdballs abgestempelt zu sein – darüber liegt irgendwie ein Fluch.
Der Fluch, eventuell mal einer zu werden wie Diego Maradona, Pelé, Zinédine Zidane – eventuell vielleicht sogar zeitgleich mit Florian Wirtz. Deine schlangenhaften Bewegungen sind unerreicht. Die Gegner haben Angst, sich im Zweikampf zu blamieren. Da hauen sich dich vorher lieber um.
Wer genau hingeschaut hat, konnte beobachten, dass du der Mannschaft auf einmal zu viel zurückgeben wolltest. Du bist in Zweikämpfe gegangen, wo andere vielleicht drübergesprungen wären. Du bist immer gierig nach dem Ball. Auch in der Rest-Verteidigung, wie gegen Paris zu beobachten war. Sogar in der 45. Minute, der Minute des Unglücks, als du, weil Sacha Boey stehen blieb, unbedingt den Ball haben wolltest und mit der Zerstörung deines Schienbeins bezahlt hast.
Paris-Torwart brach Musiala das Bein : „Donnarumma wusste genau, was passiert war!“
Du musst nun ganz stark sein. So stark wie vielleicht niemals zuvor. Du musst die Angst, die Zweifel aus dem Kopf kriegen. Mithilfe von Psychologen, Psychiatern. Mithilfe deiner Mutter, deiner Familie, deinem Berater. Mithilfe von Therapeuten, die Lebensretter trainieren.
Du musst selbst wieder ein Lebensretter werden. Möglichst noch Ende dieses oder zu Beginn des nächsten Jahres für die Bayern. Zum Lebensretter für die Nationalmannschaft bei der WM.
Ich wünsche mir wieder den Fußballer und den Menschen Jamal Musiala. Mit all seiner Ausstrahlung. Nicht irgendeinen Kirmes-Kicker, sondern den torgeilen Dribbler, den Mitreißer, den Spielmacher. Ich setze auf DICH!
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