„Meine Bayern“ heißt die Kolumne von SPORT BILD-Reporter-Legende Raimund Hinko, die sich mit dem deutschen Rekordmeister befasst. Hinko begleitet den FC Bayern seit Jahrzehnten.
Lieber Michael Olise,
das sah schon cool aus. Verdammt cool, wie Du Dir den Ball geschnappt hast nach dem Foul an Neuling Luis Diaz, ihn auf den Elfmeterpunkt gelegt hast – als wäre Dein Name Harry Kane. Der große Meister der Tore und vor allem der Strafstöße war längst draußen, als Du angelaufen bist, mit einem Zwischenschritt, mit zackigen Bewegungen wie Harry himself, nur etwas geschmeidiger – und schon war der Ball drin zum 1:0 gegen Olympique Lyon (53.). So, als hättest Du bereits 1000 dieser Strafstöße verwandelt.
[–>Nun war es nur ein Freundschaftsspiel, das erste der Saison noch dazu – also unbedeutend. Und dennoch nicht. Als Du vor einem Jahr von Crystal Palace nach München gekommen bist zum Schnäppchenpreis (ja, man darf es so nennen) von 53 Millionen Euro, bist Du innerhalb weniger Monate aufgestiegen zur Entdeckung der Saison. Deshalb liegt auch in dieser banalen Elfer-Szene so viel Sprengstoff, nachdem Dich transfermarkt.de schon mit 100 Millionen Ablöse handelt. Niemand hätte es gewagt, sich in Abwesenheit von Harry Kane den Ball zu schnappen, wenn Du bestimmst, dass Du diesen Elfmeter schießt. Nur DU! Das war ohne Worte eine Demonstration von Macht und Standing in der Mannschaft.
Nun lassen wir’s mal mit den Lobhudeleien. Du machst ja selbst kaum den Mund auf. Im Gegensatz zu den Vielrednern unter Deinen französischen Landsleuten, die bei Bayern Karriere machten. Wenn ich da nur an Wortführer Bixente Lizarazu denke, mittlerweile Experte von Radio- und TV, an Ex-Co-Trainer Willy Sagnol, den Nationaltrainer Georgiens oder an Franck Ribery, zuletzt Alleinunterhalter in Florenz und Salerno. Alle drei mit großem Selbstbewusstsein ausgestattet.
Wollen wir nicht unerwähnt lassen, dass Du nach einem Steilpass von Serge Gnabry auch noch cool zum Endstand von 2:1 eingeschoben hast. Wieder ohne nennenswert eine Miene zu verziehen, so als wäre in Shanghai gerade ein Fahrrad umgefallen.
Was meint er damit?: Lustiger Kimmich-Spruch zum Diaz-Debüt
Du hättest allerdings genauso gut Rennfahrer werden können wie Fußballer, lieber Michael. Vor einer Woche bist Du in Deinem Audi-E-Auto so schnell zur medizinischen Kontrolle zum Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in München-Nymphenburg vorgefahren, dass Du sogar die Einfahrt übersehen hast. Und an der Säbener Straße, wenige Meter vom Trainingsgelände entfernt, wetten sie schon, welcher Spieler vorne liegt, wenn die Radarkontrolle vorwarnt, dass gleich geblitzt wird. Du natürlich, der ansonsten im normalen Leben kein Rowdy ist – es sei denn, er reißt den Ball an sich, wenn es das nächste Mal Elfmeter gibt. Das könnte doch glatt in einer Rangelei oder Schlägerei mit Harry Kane enden. Wobei der kameradschaftliche Engländer froh ist, mit Dir einen guten Zulieferer zu haben.
So wie auf der anderen Seite – von links – mit Luis Diaz, dem Neuen aus Liverpool. Der, obwohl fünf Jahre älter als Du, gut zwanzig Millionen teurer war. Es wird auch interessant, wer von Euch beiden – Diaz oder Olise – auf Dauer die Vorherrschaft auf den Flügeln an sich reißt. Wem gehört nämlich neben den Deutschen Manuel Neuer, Joshua Kimmich und Jamal Musiala die sprachliche Macht: Frankreich oder Spanien?
Auch da liegen momentan mit Dayot Upamecano, Raphael Guerrero (Franzose mit portugiesischer Nationalität), Sascha Boey, Kingsley Coman, Michael Olise fünf Franzosen weit vorne. Diaz, der als Kolumbianer natürlich perfekt seine Muttersprache Spanisch spricht, findet nach dem Transfer von Bryan Zaragoza keinen Spanier mehr im Kader. Als Gesprächspartner allenfalls Joshua Kimmich, der aus privatem und beruflichem Interesse (Angebot des FC Barcelona) Spanisch gelernt hat. Trainer Vincent Kompany hat seinen Kader zuletzt mit den Jugendspielern David Santos Daiber (kann als Portugiese Spanisch) und Felipe Cavez (Peru) aufgestockt, auch damit Diaz Ansprechpartner hat. Denn er kann sich auch nicht so richtig auf Englisch verständigen. Na ja – solange er Fußball spielen kann und ein kommunikativer Kerl ist …
Vincent Kompany ist übrigens Belgier. Ein französischer. Klar, dass sich Olise bei ihm wohlfühlt.
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